Dicken hat geschrieben:Hallo zusammen,
ich will hier kein Fass aufmachen, aber Hartmut hat absolut Recht. Wir Fernschachspieler werden nicht ganz zu Unrecht von "normalen" Schachspielern belächelt. Sieht ja auch komisch aus, wenn jemand eine DWZ von 1400 hat und im Fernschach Großmeister ist!? Eine solche Leistungsexplosion ist schwer nachvollziehbar. Ich verschweige deshalb im Turnierschach auch immer meinen CCM-Titel, den ich zwar irgendwie süß finde, aber auch total überflüssig. An IM-Normen scheiter ich regelmäßig, also sind trotz PC meine schachlichen Wege limitiert. Na und !? Mir macht es Spaß, sowohl Fern- als auch Turnierschach zu spielen. ich sehe es als Spiel und sportlichen Wettkampf.
Jeder weitere unsinnige regionale Titel bringt niemandem was. In Bremen werden im Turnierschach ja auch keine eigenen Titel erfunden. Stuhrer Landesmeister...toll...1 Spieler...ein Titel!

Schönen Sonntag!
Liebe Grüße! lars
Naja, etwas relativieren muss man es schon. Es kommt aber auch immer darauf an, was man persönlich aus dem Fernschachspiel macht. Wenn jemand im Fernschach wirklich einen GM Titel hat und dann wirklich eine DWZ von 1400 vorliegt, dann ist etwas ganz gewaltig schief gelaufen.
Als Nahschachspieler, vor allem wenn Du nur zum Spaß spielst und weniger ambitioniert bist, wirst Du Theoriepauken nicht ganz so ernst nehmen. Ebenso wie der weniger ambitionierte Fernschachspieler eher seinen Fritz oder Stockfish rechnen lassen wird, als selbst die kleinen grauen Zellen zu bemühen. Auf diese Art wird er aber kaum GM im Fernschach werden. Dazu muss man schon in ein entsprechendes Turnier reinkommen. Im Moment ist mein höchstes Turnier ein Turnier der Kategorie 5 (Champions League). In der Kategorie kann man allenfalls eine IM-Norm machen. Für CCM reichen 50 %. Das kann mit einer guten Engine jeder schaffen, wenn er in so ein Turnier reinkommt. Für IM müssen es schon 50% +1 sein. Ich brauche also mindestens 2 Gewinnpartien und darf keine verlieren. Für eine SIM-Norm sind es schon 50 % +2, also mindestens 4 Gewinnpartien, Rest Remis. In Zeiten hoher Remisquoten also schon eine sehr große Hürde. Mit reiner Computergläubigkeit wird man das nicht schaffen.
Was ich damit sagen will ist: Wenn ich eine vernünftige Norm (IM aufwärts) erreichen will, muss ich mehr tun, als nur an die Computeranalysen glauben. Ich muss mich mit Theorie beschäftigen, ich muss selber Ideen entwickeln (die ich dann natürlich von Engines überprüfen lasse) etc. Wenn ich aber all dies wirklich mache, dann frage ich mich, wie man es trotzdem schaffen kann mit der erforderlichen Theoriekenntnis bei einer DWZ von 1400 hängenzubleiben. Eigentlich ist das nicht möglich. Oder man hat den GM-Titel zu Zeiten erworben, als noch nicht so stark mit Engines gearbeitet wurde.
Und da kommen wir zum Punkt. Die meisten GMs von denen hier geredet wird, sind solche, die ihren Titel schon lange haben. Der wurde zu Zeiten erworben, wo man nicht so starke Engines (wenn überhaupt) zur Verfügung hatte und noch im heimischen Schachclub mit stärkeren Spielern die Partien analysiert hat. Gezogen wurde dann letztlich das, was die stärkeren Spieler (oft sogar Bundesligaspieler) im Verein einem voranalysiert haben. Eigenleistung? Wenig. So konnte man auch zu Titeln kommen. Oder aber man hat sich wirklich reingehängt, Theorie gebüffelt, etc. So ging es natürlich auch.
Im Sinne der Werbung ist es natürlich eine gute Idee weitere Normen einzuführen. Was ich sage ist: Ich brauch es für mich nicht. Für andere mag es in einem titelgläubigen Land wie unserem aber schön sein sagen zu können: "Ich habe auch einen Titel". Ob der dann erarbeitet oder ergutenbergt ist... was solls. Die Leute glauben an Titel. Die gehen auch lieber zu einem Arzt mit Doktortitel als zu einem ohne, obwohl jeder Geisteswissenschaftler eine im wissenschaftlichen Sinne 100mal aufwändigere Doktorarbeit schreiben muss als ein Arzt (noch schlimmer bei Zahnärzten. Die müssen noch nicht einmal eine Arbeit schreiben die mit Zahnheilkunde zu tun hat. Es reicht eine rein medizinische Arbeit). Übertroffen wird diese Titelgläubigkeit nur noch in Österreich. Da wird man mit Herr Magister angesprochen, wenn man eine Masterarbeit (früher Magisterarbeit) geschafft hat. Insofern verwundert es nicht, dass man neue Titel in verschiedenen Zonen einführen will. Warum auch nicht? Wer auf so einen Titel scharf ist, wird sich für die Turniere anmelden, sein Nenngeld zahlen und Geld in die Kassen der verschiedenen Landesverbände bringen (die das Geld ja auch brauchen können). Das ändert nichts an meiner persönlichen Einstellung, dass ich es für mich nicht brauche und nach wie vor der Meinung bin, dass es unter Nahschachspielern an unserem Ansehen wenig ändern wird. Aber viele andere legen Wert darauf einen Titel zu führen (welchen auch immer) genauso wie viele darauf aus sind auf Facebook 5000 "Freunde" zu haben (von denen kein einziger ihnen auch nur einen Cent geben wird, wenn es Ihnen mal schlecht geht). Insofern ist es folgerichtig, dass man als Verband diesen Umstand für sich arbeiten lässt.
Aber zurück zum Thema GM mit 1400 DWZ. Sowas heute noch zu schaffen ist, wie oben aufgeführt, eigentlich kaum noch möglich. Meist sind es alte GM-Titel deren Normen irgendwann vor 10, 15 oder mehr Jahren erworben wurden. In der derzeitigen Championsleague haben mich alle bedauert, weil ich da fast nur mit IMs und GMs zu tun habe und mir keiner einen Meter gibt. Naja... Fakt ist... in 3 Partien steh ich besser, die anderen sind im Remisbereich. Woran liegt es? Naja... um einen Gegner als Beispiel herauszunehmen: IM Titel seit 2005, SIM seit 2006, GM seit 2009, Elozahl im freien Fall seit 2012 als die Engines immer stärker wurden. Heute würde der mit Sicherheit keine GM-Norm mehr bekommen. Ähnliche Gegner habe ich auch in anderen Turnieren. Soll heissen: Ja, es gab Zeiten wo man solche Titel mit einer DWZ von 1400 erringen konnte. Wer aber heute in Anbetracht der hohen Remisquoten noch solche Normen erreicht, der hat etwas mehr drauf (oder die Gegner hatten massenweise Stromausfall und Festplattencrashs...). Eben weil er sich mit mehr beschäftigen muss, als nur damit, wie man seine Engine bedient.
Bei aller Überheblichkeit die der Nahschachspieler dem Fernschachspieler gegenüber hat, darf man nicht vergessen, dass viele "Neuerungen" die man in Großmeisterpartien sieht, oftmals aus dem Fernschach stammen wo sie schon Jahre vorher gespielt wurden. Gerade im Hinblick auf die Theorie lernen Nahschachspieler eher von Fernschachergebnissen als umgekehrt. Und wer sich ernsthaft mit Fernschach beschäftigt, Theorie studiert, Mittelspielthemen studiert, etc. soll mir nicht erzählen, dass diese Erkenntnisse im Nahschach nichts bewirkt haben. Wer aber trotzdem nur 1400 DWZ hat, der hat entweder keine Ambitionen im Nahschach oder ist im Fernschach eigentlich nur Bediensklave seines Schachprogramms (oder beides).
So... das war das Wort zum Dienstag... oder so.
Hartmut